Fraktion bedankt und verabschiedet sich von Bernhard Feig

20 Jahre in der Stadtverordnetenversammlung sowie im Magistrat der Stadt Mühlheim – wir bedanken uns bei Bernhard Feig für sein Engagement für unsere Mühlenstadt und gratulieren herzlich zu seiner Ehrung! Schweren Herzens verabschiedet er sich zum Jahresende aus der Mühlheimer Kommunalpolitik. Für uns ein großer Verlust und doch eine Entscheidung, die größten Respekt verdient! Hier Bernhards Rede in der Stadtverordnetenversammlung:

„Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

anlässlich meiner heutigen Ehrung bin ich gefragt worden, ob ich dazu auch reden möchte. Ich habe JA gesagt, denn aufgrund meiner Tätigkeit im Magistrat habe ich ansonsten keine Möglichkeit mehr hier zu sprechen und diese Gelegenheit muss ich beim Schopf ergreifen.

Als ich im Jahr 1997 als Stadtverordneter erstmals in diesen Reihen Platz nahm, da hatte ich niemals daran gedacht, geschweige denn die Absicht, eines Tages als Stadtältester geehrt zu werden – ganz abgesehen davon, dass der Name des Titels schon merkwürdig genug anmutet. Da fühlt man sich doch gleich ziemlich alt.

Und wenn ich heute auf diese 26 Jahre meiner kommunalpolitischen Tätigkeit, von denen ich über 20 Jahre in der Stadtverordnetenversammlung und dem Magistrat war, zurückschaue, da stellt sich mir die Frage: Würde ich heute etwas anders machen? Diese Frage muss ich mit einem eindeutigen JA beantworten.

Wie viele von Ihnen wissen, habe ich in den 90er Jahren eine Stelle als Leiter des Amtes Jugend und Soziales in einer Gemeinde im Main-Kinzig-Kreis angetreten. Ich merkte schnell, dass ich mit den von uns im Amt getroffenen Planungen und Entscheidungen ganz entscheidend auf die Kommunalpolitik eingewirkte. Egal ob es um die Berechnung von Kita-Beiträgen, die Durchführung von Ferienspielen, die Angebote für Senioren oder die Beratung von Bürgern bei der Antragstellung auf Sozialhilfe oder Rente ging.

Es stellte sich mir die Frage, warum ich mich dafür nicht auch in meinem Wohnort, also in Mühlheim, einsetze. Hier, wo meine Kinder den Kindergarten besuchen, wo sie in die Schule gehen, wo sie ihre Jugend verbringen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass ich aufgrund meiner beruflichen und familiären Situation mich von Anfang an besonders für soziale Belange interessierte und einsetze, ganz gleich ob es um die Satzung des Jugendforums ging, den jährlichen Kita-Bedarfsplan oder die Gründung eines Stadtelternbeirats.

Das beantwortet alles nicht die Frage, was ich heute anders tun würde. Ich will es ihnen sagen: Ich würde mich heute viel früher in der Kommunalpolitik engagieren.

Die Frage nach dem Warum erklärt sich fast von selbst:

Man kapiert, wie eine Stadt funktioniert. Gleich ob U-3 Betreuung, Hundesteuer, Bebauungspläne, Geschwindigkeitsbegrenzungen in Wohngebieten, Kanalsanierung, Friedhofsgebühren, Gewerbesteuer, die Themen umfassen alle Lebensbereiche und sind unglaublich komplex und können genauso spannend sein. Alle Dinge müssen immer wieder neu besprochen, verhandelt und entschieden werden.

Politik erscheint dadurch in einem anderen Licht. Alles hängt mit allem zusammen. Egal ob Umgang mit Geflüchteten oder Planung neuer Kitas, ob Bau der Biogas-Anlage oder Stilllegung der Fähre – oft liegt es an den Finanzen oder am politischen Willen, ob und wie Dinge passieren oder nicht. Und manchmal hakt es auch einfach. Als Mit-Akteur erhält man auf jeden Fall einen besseren Durchblick.

Man kommt in Kontakt mit vielen Menschen. Raus aus der persönlichen Filterblase, muss man sich ständig mit anderen Meinungen auseinandersetzen. Das ist nicht nur hier in der StVV so, sondern auch genauso in der eigenen Fraktion und Partei oder im Kontakt mit der Bürgerschaft. Das kann auch anstrengend sein, es ist aber ungemein bereichernd und kann auch stimulieren. Neue Argumente tragen zur persönlichen Meinungsbildung bei und erweitern den Horizont.

Wenn man nicht mit entscheidet, entscheiden andere. Wählen gehen ist besser, als gar nichts zu tun. Aber wenn ich möchte, dass meine Stimme gehört wird, muss ich sie auch erheben. Dann muss ich die Zeit aufwenden, um mich mit Fakten vertraut zu machen, Unterlagen zu lesen und auszudiskutieren, Bürger*innen und Vereinsvertretern zuhören, um die bestmögliche Lösung zu finden. Sonst entscheiden andere, meist alte weiße Männer (so wie ich inzwischen), ob wir mehr Kinderbetreuung brauchen, ob es genügend sozialen Wohnungsbau in der Stadt gibt oder wann und wie das Jugendzentrum saniert wird.

Kurz: Wer sich engagiert, trägt in der Kommunalpolitik aktiv zur Demokratie bei. Ich habe mich aufgrund meines beruflichen Hintergrunds anfangs überwiegend in den Sozialthemen eingebracht. Eltern, deren Kinder in Mühlheim eine Kita oder Schule besuchen, werden sich mehr für diesen Themenkomplex interessieren, junge Menschen sind wohl am besten geeignet, um eine Einschätzung zu den Aufenthaltsorten und Freizeitmöglichkeiten von Jugendlichen zu geben, Berufspendler sind stark an der Verkehrssituation und dem ÖPNV-Angebot interessiert usw. usf.

Was ich damit sagen will: Alle diese Blickwinkel und Perspektiven sollen gehört und in den Entscheidungen mit berücksichtigt werden. Und sie können daher mit am besten auch von den betroffenen Personen vertreten werden. Dies wäre gegeben, wenn unsere Stadtverordnetenversammlung ein Spiegelbild der Mühlheimer Bevölkerung darstellt, ein Idealfall, der wohl in den seltensten Fällen gegeben sein dürfte.

Mein Apell daher heute, ganz besonders an die in der Kommunalpolitik unterrepräsentierten Bevölkerungsteile, wie junge und weibliche Bürger*innen: Engagiert euch, bringt euch ein. Wir, die wir heute in den städtischen Gremien sitzen, müssen dafür werben, dass sich mehr Menschen, dass sich jüngere Menschen in die Kommunalpolitik einbringen, denn Kommunalpolitik ist spannend, sie betrifft uns alle direkt und lässt uns Demokratie unmittelbar erleben.

Bei meiner Werbung für kommunalpolitisches Engagement mag es daher paradox klingen, dass ich nun – als Stadtältester – verkünde, dass ich meine Mitwirkung in den städtischen Gremien zum Jahreswechsel beende. Ich kann sie beruhigen. Durch mein Ausscheiden und den damit verbundenen Wechseln, sowohl im Magistrat als auch in meiner Fraktion, werden jüngere und weibliche Mandatsträgerinnen nachrücken. Es ist wie beim Fußball – nach der Halbzeit kommen neue Spieler*innen auf das Feld. Ferner kann ich versichern, dass ich auch weiterhin der Mühlheimer Kommunalpolitik verbunden bleiben werde, z.B. als Sprecher der Mühlheimer Grünen.

Aber wie heißt es: Man soll aufhören, wenn es am Schönsten ist. Und diesen Schlussstrich ziehe ich jetzt, bevor mir noch der Titel eines „Stadtgreis“ verliehen werden soll.

  • Ich danke an dieser Stelle allen, mit denen ich mich im Laufe der Jahre auseinander setzen durfte und musste. Es hat mir viel Freude bereitet, aber es war auch nicht immer nur pures Vergnügen.
  • Ich danke auch all jenen, die mich über diese Zeitdauer nicht nur ertragen haben, sondern auch meine Argumente angehört und in ihre Erwägungen mit einbezogen haben.
  • Mein Dank gilt darüber hinaus allen Bürgern und Bürgerinnen, die sich mit ihren Anliegen vertrauensvoll an mich wandten. Ich hoffe, dass ich ihre Erwartungen erfüllen konnte.
  • Ferner möchte ich den Mitarbeiter*innen der Verwaltung mein dickes Lob aussprechen, die stets überparteilich agierten, auch wenn sie nicht immer so durften, wie sie gerne gewollt hätten.
  • Ganz besonders danke ich natürlich meinen Mitstreiter*innen in der grünen Fraktion, die immer für mich Gehör hatten und die erforderliche Geduld für mich aufbrachten. Ich bin stolz, auf das, was wir zusammen erreicht haben.
  • Und last not least danke ich meiner Frau, die trotz Beruf und Kinder mir jahrelang für meine kommunalpolitische Aktivität den Rücken freigehalten hat und die, nachdem die Kinder groß waren, sich selbst stärker engagierte. Was daraus geworden ist, ist eine andere Geschichte, aber die kennen sie selbst alle.“

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